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Qualifikation Technischer Redakteur


Für die Qualifikation eines Technischen Redakteurs gibt es weniger genaue Vorgaben als in so manch anderem Beruf. Das liegt u.a. am breiten Aufgabengebiet dieses Berufsfeldes und an seiner kurzen offiziellen Geschichte - der erste akademische Ausbildungsgang wurde 1990 an der FH Hannover aufgebaut.

Inhalt dieser Seite:

Als technischer Redakteur im Projektgeschäft

Der technische Redakteur ist der Vertreter seines Lesers in Entwcklung und Produktion, nicht umgekehrt. Ich erlebe aber regelmäßig, dass von mir mehr oder weniger die gleiche Qualifikation wie von den Entwicklern erwartet wird.

Natürlich muss ich mich mit Entwicklern, Marketingleuten usw. effizient verständigen können und das geht in meinem Bereich nur mit intensivem technischen Verständnis. Ich muss die technischen/physikalischen Randbedingungen verstehen. Aber mit den Entwicklungswerkzeugen muss ich nicht umgehen können.

  • Vor langer Zeit arbeitete ich für eine Genossenschaft von Steuerberatern. So lange es um Fragen im Stil wie organisieren wir ein Online-Projekt für mehr als 10.000 Hilfeseiten ging, war ich der geeignete Fachmann. Später ging es dann um Fragen im Stil wie erstelle ich mit diesem Programmpaket eine Bilanz. In dieser Phase war ich als Ingenieur außen vor – soll ich einem Steuerberater seine Arbeit erklären?
  • Einmal wurde ich für ein Online-Projekt abgelehnt mit der Begründung, ich hätte keine .NET-Erfahrung. Diese Begründung wäre nur dann stichhaltig gewesen, wenn es um ein Werkzeug für .NET-Entwickler gegangen wäre. Aber soll ich mich mit einem potentiellen Kunden streiten?
  • Schon mehrfach für Verblüffung sorgte, dass ich mich bei Windows-Applikationen nicht für die benutzten Entwicklungswerkzeuge interessiere. Das hat aber einen ganz klaren Grund: Ich habe keine direkte Schnittstelle zur Applikation. Windows bietet seit der Version 3.1 getrennte APIs für Applikationen und Online-Hilfe. Der Entwickler gibt dem Betriebssystem den Auftrag stelle das Topic Nr. 4711 aus der Datei ABCD.CHM dar und mein Job ist, dass der Hilfe-Viewer die richtige Seite darstellt. Meine Probleme liegen eher darin die Entwickler davon zu überzeugen, dass ich bei bestimmten Standarddialogen (z.B. "Datei öffnen") individuelle Hilfetexte brauche – sonst kommt an den unmöglichsten Stellen die wenig hilfreiche Information hier können Sie eine Datei öffnen hoch. Viel mehr brauche ich von der Programmentwicklung für Windows nicht zu wissen.

Randbedingungen für eine Ausbildung "technischer Redakteur"

Wer für die Bedienungsanleitung für eine Waschmaschine schreibt, hat keine Probleme mit komplexen Sachverhalten, aber muß seine Information besonders leicht verständlich "rüberbringen". Die technischen Probleme liegen hier auf ganz anderen Gebieten: Solche Anleitungen werden oft automatisch aus Bausteinen zusammengesetzt und zeitnah produziert. Wenn die Fertigungsplanung festlegt "morgen fertigen wir von der Maschine X 2.543 Exemplare in der Variante Y zur Lieferung nach Frankreich", dann hat die Dokumentationsabteilung genau 2.543 Exemplare der entsprechenden französischen Bedienungsanleitung an das Montageband zu liefern. Eine mehrsprachige Anleitung macht das Problem nicht einfacher: Allein für die Europäische Union muß der Hersteller über 20 Sprachen liefern .

Die Schnittstellenbeschreibung für ein komplexes Programmpaket kann sich auf die Sachkunde des Programmierers verlassen, muß aber recht komplexe Sachverhalte und sehr umfangreiche Informationen präsentieren und schnell zugänglich machen. Hier muss der technische Redakteur die grundlegenden Mechanismen verstehen und sich die nötige Terminologie erarbeiten.

Informationen für extrem komplexe und gefährliche Produkte wie Flugzeuge oder Atomkraftwerke sind auf vielen 1000 bis Millionen Seiten so zu organisieren, daß die benötigte Information in einer genau definierten Form an einer ganz bestimmten Stelle zu finden ist. Fehler in der Anleitung können zu sehr großer Personengefährdung und großen Sachschäden führen. Sprachlich sind solche Texte bewusst sehr schlicht, der einzelne Text ist meist kurz und einfach. Die Kunst ist, ein genau passendes Steinchen zu erstellen.

Die immer benötigten Fähigkeiten lassen sich schnell aufzählen:

  • Kommunikationsfähigkeit
  • Freude am Umgang mit der Sprache und überdurchschnittliche Beherrschung zumindest der Muttersprache
  • Neugier
  • Flexibilität
  • pädagogisches Geschick
  • ggf. breites Fachwissen auf einem Fachgebiet

Einige dieser Eigenschaften muß man mitbringen, andere kann man erlernen. Der klassische Einstieg in dieses Berufsfeld war bis vor recht kurzer Zeit direkt am Arbeitsplatz. Mittlerweile gibt es:

  • Volontariat in einer Technischen Redaktion, organisiert von der tekom e.V..
  • Berufsbegleitende Seminare und Studiengänge
  • Vollzeit-Studiengänge an Fachhochschulen (und einigen wenigen Universitäten).

Die Fachhochschulen bieten teilweise spezielle Ingenieurstudiengänge an und teilweise ganz eigenständige Abschlüsse. Jeder dieser Wege hat seine Berechtigung und jeder Student sollte sich vorher intensiv mit den Alternativen auseinandersetzen. Seine Entscheidung wirkt sich später darauf aus, in welcher Ecke des Berufsfeldes er später arbeiten kann.

Berufsaussichten als technischer Redakteur

In den letzten Jahren stieg die Nachfrage nach technischen Redakteuren steil an. Sucht man beispielsweise bei Jobrapido, so findet man selbst im Wirtschaftsabschwung noch zahlreiche Angebote. Bei mir melden sich regelmäßig Firmen, die händeringend nach technischen Redakteuren suchen und keine finden.

Allerdings bemerke ich zunehmend eine Zweiteilung des Arbeitsmarktes:

  • Die Nachfrage nach Dipl.-Red. und deren Bachelor-Nachfolgern kommt zunehmend von Zeitarbeitsfirmen. Gespräche mit Kollegen bringen mich zur Erkenntnis, dass hier ein weitgehend standardisierter Arbeitsmarkt entstanden ist, in dem der Preis das entscheidende Kriterium ist. Die Studenten sind also gut beraten, wenn sie sich möglichst frühzeitig um ihre Differenzierung von der Konkurrenz zu kümmern.
  • Daneben findet man weiter Nachfrage nach ganz spezieller Fachqualifikation – so, wie ich das oben schon (in einer bereits diverse Jahre alten Passage) beschrieben habe. Das ist ganz wesentlich die Chance für Quereinsteiger, die schon eine solide Ausbildung in einem Fachgebiet mitbringen. Dazu muss man nicht unbedingt Dipl.-Ing. sein, auch für Chemiker, Betriebswirtschaftler oder qualifizierte Facharbeiter gibt es interessante Aufgaben.
     
    In Deutschland gibt es viele hoch spezialisierte Hersteller mit enormen Weltmarktanteilen, die von ihrem ganz speziellen Know-How leben. Als Beispiele liefen mir z.B. die Hersteller von Druckmaschinen, Strickmaschinen oder von Tiefziehmaschinen für die Verpackung von medizinischen Einmalartikeln über den Weg. Beim Umgang mit solchen Maschinen und bei der Wartung solcher Maschinen verzeiht man eher eine nicht so ganz elegante Präsentation der Information als logische Löcher oder unübliche Nomenklatur.

Sehen wir den Tatsachen ins Auge: Bestimmte persönliche Qualifikationen muss man mitbringen. Aber das kleine Einmaleins des technischen Redakteurs ist in einem berufsbegleitenden Studium oder in ein paar Seminaren schnell erlernbar – jedenfalls leichter als das Wissen das man braucht, um Entwicklungsunterlagen auf Plausibilität und Vollständigkeit hinterfragen zu können. So mancher Kollege aus der Geisteswissenschafter-Ecke traut sich hier nicht weiter vor, als dass er die Entwicklungsunterlagen sprachlich etwas glättet.

Ich komme regelmäßig zu Aussagen im Stil: So, wie Sie mir das beschreiben, kann das nicht funktionieren, weil... Im Trivialfall steht dann in der Entwicklerunterlage, er schalte erst mal die Betriebsspannung ab und misst dann an einer bestimmten Stelle die Spannung. Auf meine Nachfrage hin stellt der Entwicker dann fest, dass er für genau diesen Betriebsfall eine Spannung an einer speziellen Stelle einspeist, das aber nicht beschrieben hat.

Um auf eine Aussage ganz von Anfang zurück zu kommen: Das Betätigungsfeld eines technischen Redakteurs ist außerordentlich vielfältig. So manches Spezialwissen kann man sich deshalb nicht auf Vorrat aneignen. Hier kommt es dann auf ein schnelles Auffassungsvermögen und eine breite fachliche Grundlage an. Entsprechend sieht mein Mission Statement aus:

  1. Ich mache komplexe Technik für Techniker verständlich.
  2. Ich bin darauf spezialisiert, nicht spezialisiert zu sein.

So will mich zwar niemand haben, der z.B. Wartungsunterlagen für PKW erstellt haben will – darauf haben sich diverse Kollegen seit Jahren spezialisiert. Aber wenn der gleiche Hersteller eine seiner Maschinen in der Produktion exakt dokumentiert haben will, sieht es schon wieder ganz anders aus...

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Alexander von Obert * http://www.techwriter.de/thema/qualifik.htm
Letzte Änderung: 02.09.11 (Kapitel 'Berufsaussichten' überarbeitet)


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