Der Beruf Technischer Redakteur ist in der Berufswelt angekommen. Als ich 1984 in die Branche
Technische Dokumentation einstieg, war as noch ganz anders. In meinem Arbeitsvertrag stand 1984
Ingenieur für technisches Schrifttum und auch in unserem Berufsverband konnte man sich lange
nicht auf eine einheitliche Nomenklatur einigen: Bedeutet Technischer Redakteur eine höhere oder
eine niedrigere Qualifikation als Technischer Autor? Den Streit beendete wohl die Bundesanstalt für
Arbeit, als sie die Bezeichnung Technischer Redakteur in ihren Berufekatalog aufnahm.
Ausbildungswege zum Technischen Redakteur
Technischer Redakteur ist keine geschützte Berufsbezeichnung. Im Prinzip könnte sich also jeder
so nennen. Die meisten Technischen Redakteure haben wohl einen der folgenden Wege genommen:
- Viele Hochschulen, zumeist Fachhochschulen, bieten Studiengänge zum Technischen Redakteur an.
Als in den 1990er Jahren diverse dieser Studiengänge entstanden, bekamen viele berufserfahrene Kollegen
Komplexe, sie seien doch nur Quereinsteiger. Mittlerweile sehe ich das, auch wegen des
Bologna-Prozesses, deutlich anders: Die Nachfrage nach Technischen Redakteuren ist hoch. Ein
einschlägiger
Professor meinte im Herbst 2012 zu mir, die Wirtschaft bräuchte ob der immer schärferen rechtlichen
Anforderungen viel mehr Technische Redakteure, als die Hochschulen ausbilden könnten. Aber: Die meisten
Firmen betrachten die Technische Dokumentation als unvermeidliches Übel und wollen sich ihrer Pflicht
so billig wie irgend möglich entledigen. Das kann man auch den Stellenanzeigen so entnehmen: Wohl die
Mehrheit der Stellen für Technische Redakteure werden von Zeitarbeitsfirmen und ähnlichen Dienstleistern
angeboten. Wer so eine Stelle annimmt hat bestenfalls die Hoffnung, irgendwann von einem seiner
Endkunden übernommen zu werden. Das ist aber weder eine sehr profitable noch eine besonders erfüllende
Berufsaussicht.
- Häufig werden Mitarbeiter einfach in den Job des Technischen Redakteurs hineingeworfen. Irgendwer
muss den Kram halt schreiben. Schon zu meiner Angestelltenzeit hatte so ein Technischer Redakteur
leicht den Ruf weg, er sei fortgelobt worden, damit er nicht noch mehr Schaden anrichten könne. Wohl die
Mehrheit der Technischen Redakteure kam so zu ihrer Tätigkeit. Tatsache ist: Mit diesem Schritt
verlässt man die ausgetretenen Wege innerhalb eines Betriebes und hat nur noch begrenzte Aufstiegschancen.
In meiner Angestelltenzeit waren praktisch alle Technischen Redakteure nur Indianer, die
Häuptlinge hatten von Technischer Dokumentation bereits keine Ahnung mehr. Im Hauptjob waren die
Häuptlinge Kundendienst- oder Entwicklungsleiter oder gehörten zum Marketing, um nur ein paar
Möglichkeiten zu
nennen. Das dürfte mittlerweile etwas besser geworden sein, weil die Firmen mehr Technische Redakteure
beschäftigen. Aufstiegschancen zum Gruppenleiter dürfte es heute öfter mal geben, aber weiter als bis
ins Middlemanagement führt der Weg wohl kaum: Ein Entwickler, dessen Werke sich gut verkaufen lassen, ist
ein toller Kerl. Gleiches gilt für einen erfolgreichen Verkäufer und andere Tätigkeiten, die sich in der
Unternehmensbilanz positiv niederschlagen. Aber als Technischer Redakteur wird man vor allem als
Kostenfaktor wahrgenommen.
- Ein interessanter Weg ist, von einer eigenständigen Qualifikation aus eine Zusatzqualifikation als
Technischer Redakteur zu erwerben. Dieser Weg ermöglicht, sich von vielen Konkurrenten abzusetzen.
Berufsbegleitende Ausbildungsgänge zum Technischen Redakteur bieten viele Bildungseinrichtungen an -
von einschlägigen Fachhochschulen bis zu privaten Instituten. Auf diesem Gebiet gibt es sogar eine
Möglichkeit, qualifizierte Ausbildungsgänge zu erkennen: der Berufsverband der Technischen Redakteure,
tekom, hat eine Leitlinie zur Aus- und Weiterbildung Technischer Redakteure erarbeitet. Dort werden
bestimmte Wissensmodule definiert, an denen sich viele Ausbildungsstätten orientieren. Mit Hilfe der
tekom können Sie erarbeiten, welche dieser Module für Sie hilfreich wären und welche Institutionen
entsprechende Ausbildung anbieten.
Mein Berufsweg begann ähnlich wie die dritte Alternative: Nach einem Einsteigerseminar nutzte ich über
20 Jahre hinweg unzählige Angebote der tekom - und wenn ich als Regionalgruppenleiter zwangsweise bei
Vorträgen oder Seminaren anwesend war. Ganz wesentlich das Fehlen von Aufstiegsmöglichkeiten führte mich
dann aber auf einen relativ seltenen Weg: Ich machte mich selbständig. Schätzungsweise 90% aller
Technischen Redakteure sind Angestellte.
In den letzten Jahren vermarkte ich mich als Spezialist für die Bereiche, für die es keine Spezialisten
gibt. Das ermöglicht mir, neben ein paar Jahrzenten Berufspraxis auch meine Ingenieurausbildung zu
verwerten. Ich springe zwischen den Branchen und diskutiere mit Entwicklungsingenieuren auf Augenhöhe:
Was Sie mir erzählen, kann nicht funktionieren, weil... Typische Reaktion: Kurze Denkpause und die
Erkenntnis bei meinem Gesprächspartner, dass noch ein wichtiges Detail in seiner Schilderung fehlte. Wessen
Technik-Durchblickerlehrgang nicht deutlich weiter geht als bis zum Physik-Leistungskurs vor dem Abitur,
gehört eindeutig nicht zu meinen Konkurrenten. Damit bin ich praktisch alle los, die oben die Alternative 1
gewählt haben.
Als technischer Redakteur selbständig machen?
Selbständige technische Redakteure sind recht selten und wie es aussieht, werden es noch weniger werden.
Aus guten Gründen sind die meisten technischen Redakteure fest angestellt: Sie sind recht wichtige Know-How-Träger
und brauchen entsprechend lange bei der Einarbeitung. Die so erzwungenen langen Projektdauern machen aber den
Selbständigen zunehmend das Leben noch schwerer: Die Kriterien für Scheinselbständigkeit werden vor allem von der
Deutschen Rentenversicherung Bund immer weiter ausgelegt und immer mehr Firmen haben ausgesprochen Schiss, dass sich
externe Einzelkämpfer vor dem Arbeitsgericht einen
Arbeitsvertrag erstreiten –
vorzugsweise genau dann, wenn ihr Vertrag nicht verlängert werden soll.
Von Daimler ist bekannt, dass fast alle Selbständigen durch Zeitarbeiter ersetzt wurden. Die entsprechende firmeninterne
Richtlinie drängt die Externen so weit wie möglich an den Rand und isoliert sie nach Kräften von den Angestellten –
wie soll das beispielsweise bei der Recherche funktionieren?
Die gegenwärtige Bundesregierung will den Schutz vor Scheinselbständigkeit weiter verbessern, lässt dabei aber die
Lage gut verdienender Selbständiger außer Betracht. Siehe beispielsweise den folgenden Artikel aus der
Computerwoche.
Auf der anderen Seite haben die Zeitarbeitsfirmen einen großen Teil des Marktes übernommen. Denen spielt in die Hände,
dass technische Dokumentation mittlerweile ein Bereich mit recht klaren Regeln und Vorstellungen ist. Die vergleichsweise
geringe Qualifikation der Bachelor-Absolventen einschlägiger Studiengänge erleichtert diesen Trend noch. Die Rübe,
die den Eseln vor's Maul gehalten wird, ist: Bei Bewährung haben Sie Chancen, fest übernommen zu werden. Das kann
Jahre einer prekären Existenz bedeuten und niemand garantiert den Erfolg.
Auch aus Gesprächen mit anderen Veteranen der Szene kam ich zur Überzeugung, dass der Markt für selbständige
technsiche Redakteure enger wird und Neueinsteiger wohl nur mit viel speziellem Hintergrund noch wirkliche Chancen
haben. Wer beispielsweise KFZ-Meister ist und sich das kleine Einmaleins der technischen Dokumentation zulegt,
könnte seine Marktnische finden. Generell sollte man sich als Fachkraft mit zusätzlicher Qualifikation als technischer
Redakteur vermarkten, sonst kann man sich nicht vom Massenmarkt abheben.
Fazit zum Beruf Technischer Redakteur
Wer neugierig ist und gerne mit Sprache umgeht, sollte sich das Berufsfeld Technische
Dokumentation näher ansehen. Logisch, dass einen Technik faszinieren muss und keine Beklemmungen
auslösen darf. Auch muss man fast alles vergessen, was einem der Deutschlehrer mal beigebracht hat:
Bedienungsanleitungen müssen möglichst leicht lesbar und eindeutig sein, der Stil bleibt dabei oft genug
auf der Strecke.
Technischer Redakteur ist ein typischer Angestelltenberuf mit begrenzten Aufstiegschancen.
Wer aber mehr mitbringt als Kenntnisse über EU-Richtlinien, Schreibtechniken und ähnliche Grundlagen des
Technischen Redakteurs, kann sich recht interessante Querschnittstätikeiten erobern. Was spricht
beispielsweise dagegen, dass ein Technischer Redakteur maßgeblich Pflichtenhefte mit schreibt oder
Entwicklungsingenieure von ungeliebten Dokumentationspflichten befreit?
|